KAMCHATKA - The Lost World
by Marion Janoschka


Kamchatka, die Halbinsel mit mehr als 300 Vulkanen, liegt im auersten Osten der Russischen Föderation. Fast so gro? wie Frankreich, hat sie jedoch nur eine halbe Million Einwohner. Der Winter dauert bis Juni und auch im Sommer kann es kühl sein. Eine Reise dorthin sollte gut
geplant und vorbereitet sein. An diese Devise hatten wir uns gehalten. Gemeinsam mit einer kleinen Agentur hier in Moskaus und deren Partner vor Ort entstand schon Anfang des Jahres die Feinplanung für unsere einwöchige Tour.

Ende August war es soweit: eine Gruppe von sechs Abenteurern startete von Moskau aus nach Petropavlovsk-Kamchatski. Nach 10 Stunden Flug und 9 Stunden Zeitverschiebung betraten wir den Boden der Vulkanhalbinsel. Trotz Sonne lagen die Temperaturen nur unwesentlich uber dem Gefrierpunkt. Unsere Betreuer warteten schon auf uns. Zuerst ein kurzer Stopp im Hotel, danach fuhren wir zum Hubschrauberlandeplatz. Etwas Kribbeln im Bauch hatten wir, als wir in Richtung Tal der Geysire starteten. Aber der Flug war phantastisch. Wir sahen Lava, Rauch und Kraterseen. Im Tal der Geysire erwartete uns eine fast unwirkliche und sehr farbige Landschaft. Wir erlebten etliche Geysire in Aktion. Auf dem Ruckflug konnten wir beerensuchende Baren aus der Luft bestaunen. Am Tag darauf fuhren wir in einem umgebauten, gelandegangigen Lastwagen durch das Paratunga-Tal in Richtung Mutnovski-Vulkangebiet. Unsere Crew setzte sich aus Fahrer, Bergfuhrer, Kochin und Dolmetscherin zusammen. Eine wilde, einsame Landschaft, durch die wir fuhren. Nur ganz selten begegnete uns uberhaupt jemand. Unterwegs tranken wir Wasser direkt aus dem Bach, picknickten und wanderten zu hei?en Quellen, in denen wir badeten.

Im Nieselregen fuhren wir durch eine Mondlandschaft bis zum Fu?e desMutnovski-Vulkans. Um uns herum war reine, unberuhrte Natur. Nach einem kostlichen Essen und Tee mit viel Vodka krochen wir in unsere Zelte. Die Nacht war kalt. Morgens war au?er dichtem Nebel nichts zu sehen. Trotzdem machten wir eine mehrstundige Wanderung. Abends konnten wir sogar noch unsere Hausberge besteigen. Danach setzte wieder Regen ein und die Nacht wurde erneut feucht und kalt.

Der Ausblick am nachsten Morgen war phantastisch: alles frei, der Vulkan gut sichtbar mit leichter Rauchwolke aus dem Krater und keine Wolke am Himmel. Nach dem Fruhstuck begannen wir den Aufstieg. Wir durchquerten Schneefelder, sahen eine Landschaft mit wechselnden Farben, Steinformationen, ewigem Eis und hatten fast immer
Blickkontakt mit dem Ziel, der Rauchfahne des Vulkans. Nach drei Stunden waren wir oben und bestaunten das Brodeln, Blubbern und Rauchen. Nach Abendessen und Lagerabbau leisteten wir Pannenhilfe in der Wildnis. In der Nahe war ein Lastwagen in einem Schneefeld eingebrochen. Nach langer Fahrt uber Gerollfelder erreichten wir nachts unsere nachste Unterkunft, die Blaue Lagune.

Die Stadt Petropavlovsk stand am nachsten Tag auf dem Plan. Nach Stadtrundfahrt, Markt, Museum- und Galeriebesuch hatten wir das wirklich Sehenswerte gesehen. Unsere Fahrt mit dem Boot durch die Bucht verzogerte sich wegen U-Boot-Manovern des Militars. Gegen 19 Uhr legten wir ab. Wir hatten eine ruhige See, klare Sicht, sahen Robben und Vogel und erlebten einen beinahe irrealen Sonnenuntergang mit dem Vulkanpanorama der Avachinski-Bucht. Mit den Worten: "Plan jeest plan" ("Plan ist Plan.") schickte uns Andrei, der Tourmanager mitten in der Nacht ins Paratunga-Tal zu Sascha. Dieser - geburtiger Moskauer, ehemaliger Musiklehrer, Aussteiger und Bauer - empfing uns in einer Jurte. Er bewirtete uns mit Selbstgemachtem, wie eingelegtem Seetang, Farn, Barlauch, Vodka mit Krautern und selbstgemachtem Likor. Umrahmt wurde dieses Mahl von Musik auf dem in der Jurte stehenden Klavier, Gesang und Geschichten des Lebens.

Nach einem Bad im Thermalwasser der Blauen Lagune, fuhren wir nachmittags in Richtung Avachinski-Vulkan. Unser Camp mit Holzhutten befand sich auf 800 Metern Hohe. Der Aufstieg am Morgen begann um halb zehn. Mulmig war es uns, als wir eine Gedenkminute an den Denkmalern der umgekommenen Bergsteiger einlegten. Ganz locker marschierten wir am Anfang. Nach der Rast auf 2011 Meter wurde es jedoch bei starkem kalten Wind, Steigung und recht schwierigem Gerolluntergrund immer muhsamer. Nach siebeneinhalb Stunden waren wir oben, auf 2.741 Metern - als einzigste Gruppe hatten wir an diesem Tag den Avachinski Vulkan bestiegen. Das Gefuhl, es geschafft zu haben war unbeschreiblich, der Ausblick auf die umliegende Bergwelt und auf den schwarzen Lavapfropfen gigantisch.

Nach drei Stunden Abstieg bzw. Abrutschen kamen wir gegen 22 Uhr mit muden, butterweichen, zittrigen Beinen aber einem unglaublichen Siegergefuhl im Lager an. Das Essen schmeckte wie nie zuvor. Die Trinkspruche kamen aus tiefster Seele. Gegen vier Uhr morgens erreichten wir das Hotel.

Auf dem Mutnovski-Vulkan Eva Khadji, Torsten Erdmann, Larissa, Manfred Janoschka, Marion Janoschka, Anke Erdmann, Kurt Schneider-Obijon, Der Tag des Abschieds von der Halbinsel der Vulkane war gekommen. Morgens schnell packen, ein kurzer Rundgang uber den Fischmarkt, Kauf von frischem Kavier und Lachs, ein Schluck Bier vor der Abfahrt zum Flughafen - fur den Kreislauf -, noch mehr Essen: "Wer weiss, wann wir wieder etwas zu Essen bekommen" und schon standen wir auf dem Flughafen und nahmen Abschied von der Crew. Ein letztes Photo mit unserem Vulkan im Hintergrund und nach gut neun Stunden landete die Iljuschin der Domodedevo Airlines in Moskau.

Marion Janoschka

Kontaktadressen
Marlis Travel, Moscow
wshtg@online.ru

Lost World Tours, Petropavlovsk
lostworld@mail.iks.ru , www.kamchatkalostworld.com


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